Aktuelles

Auftragsziel verfehlt


Das Internet ist voll mit ganzen Sammlungen von Beispielen für misslungene Übersetzungen, sei es ins Russische oder ins Deutsche, Englische oder eine andere beliebige Sprache.
Oft werden die entsprechenden Links in den sozialen Medien geteilt. So als Gag, etwas zum Lachen.
Anfang dieses Jahres ist mir so eine Sammlung in die Hände gekommen. Allerdings enthält sie nicht Beispiele aus verschiedenen Quellen, sondern es ist eine ganze Broschüre. Sie heißt „Ein Rundgang durch das Parlament und seine Häuser“. Es geht um die russische Version der Broschüre.
Nur ist das, was darin als Russisch präsentiert wird, leider keins. Oder man muss fairerweise sagen, nicht alles, was dort steht, ist als korrektes Russisch anzusehen. Die Menge der sprachlichen Mängel ist jedoch so groß, dass man automatisch den ganzen Text als mangelhaft betrachtet. Auf jeden Fall kann hier keine Rede von einer druckreifen Übersetzung sein.

Die Übersetzer haben alles in ihren Text eingebaut, was niemals in eine gute Übersetzung gehört:
  • Rechtschreibfehler,
  • im Russischen nicht existierende Wörter,
  • Wörter mit falschem Genus,
  • falsche Schreibweise von Eigennamen,
  • Nichteinhaltung der sprachlichen Konventionen,
  • Fehler bei der Wiedergabe von Zahlen,
  • eine Sinnentstellung,
  • stilistische Fehler,
  • Nichtbeachtung der Groß- und Kleinschreibung und
  • in zahlreichen Fällen falsche Satzzeichensetzung.

  • Der Text lässt erkennen, dass mindestens zwei Übersetzer an der Arbeit waren. Aber das für das qualitative Übersetzen unabdingbare „Vier-Augen-Prinzip“ wurde trotzdem nicht befolgt.

    Denn wie lässt sich sonst erklären, dass
  • in einem Teil der Broschüre der Name der Straße Unter den Linden falsch und in einem anderen richtig geschrieben wird;
  • dem einen Übersetzer bekannt ist, dass die Großschreibung im Russischen nach dem Doppelpunkt nur dann zulässig ist, wenn es um die Wiedergabe der direkten Rede geht oder die Aufzählung hinter dem Doppelpunkt mit dem Eigennamen beginnt, und der andere missachtet diese Regel auf Schritt und Tritt;
  • der eine Übersetzer weiß, dass im Russischen die mehrstelligen Zahlen von rechts nach links in dreistellige Gruppen gegliedert und mit einem Zwischenraum voneinander getrennt werden, und der andere übernimmt einfach die deutsche Schreibweise;
  • der eine Übersetzer korrekt den Straßennamen Ebertstraße im Russischen wiedergibt, nämlich als Эбертштрассе, und der andere sich nicht mal die Mühe macht nachzuschlagen und so lesen wir von Ебертштрассе (Lachanfall bei jedem Russen einprogrammiert!);
  • dem einen Übersetzer bekannt ist, dass das Wort „Information“ im Russischen niemals im Plural stehen darf, und der andere benutzt das.

  • Viel mehr Stilblüten und sonstige sprachliche Fauxpas sind in einer deutschsprachigen Übersicht hier zu finden. Die absolute Krönung dieser Übersetzung sind aber sprachliche Absurditäten und so ungeschickte Formulierungen, dass sie einen, der des Russischen mächtig ist, nur zum Lachen bringen.

    Hier sind einige Beispiele davon:

    Den Übersetzern sei zu „verdanken“, dass eine informative Broschüre zu einer unterhaltsamen wurde.

    Aber wollte das auch der Auftraggeber?